Das Zeitalter der Schatten

"Nun dann werden wir hier in den Bergen auf euch und Cecilia warten....aber vielleicht setzen wir uns auch ein wenig in Bewegung, damit wir am Ende nicht von Luzius Armee eingekesselt werden!", meinte Shanea und gab sich einverstanden. "Cecilia wird schließlich auch einen Weg finden müssen, an der Armee vorbeizugelangen."

Auf Mardals Zeichen öffneten sich die Stadttore und die ersten Bataillone zogen vor die Mauern Calums, um aus den umliegenden Bauernhöfen den Proviant für das Heer zusammenzutreiben. Immerhin war Luzius nun der neue König und somit waren die Bauern dazu verpflichtet ihm Abgaben zu entrichten - wer dies nicht tat, von dem wurde eben mit Gewalt genommen, was dem König zustand.

"Wir werden euch schon finden. Von oben aus werdet ihr sicherlich auffallen, glaubt mir." erklärte Reya mit einem leichten Lächeln, bevor aus der jungen Frau dann ein menschengroßer Rabe werde, auf dessen Rücken sich schon Sheyr setzte.
"Nun denn, wünscht uns Glück, auf dass der König von Al-Aurún uns helfen kann." meinte er noch, bevor seine Halbschwester sich in die Höhe erhob und langsam schon durch die meterhohen Höhlengänge von Kavendar glitt, bevor sie dann am Höhlenausgang in die Lüfte stieg und Kurs auf Al-Aurún nahm.

//Wie naiv diese Leute alle sind. Sie leben ihr Leben, als ob es nichts gäbe, was von wichtigerer Bedeutung wäre...// Missmutig starrte Luzius aus dem Fenster des Thronsaals und beobachtete die Leute unten in der Stadt, die ihren üblichen Beschäftigungen nachgingen, und sich so auf dem Markt rumtrieben oder gerade bei der Arbeit waren. Aufgrund der hohen Lage der Zitadelle von Calum konnte er so weit in die Ebene hinein bis zum ehemaligen Okami-Dorf blicken, das aber jetzt nur noch aus Schutt und Asche bestand - zumindest konnte man nichts mehr weiteres erkennen als die schwarz verkohlten Leichname der Okamis und die Überreste ihrer Hütten.

Etwas missmutig schaute Shanea den beiden hinterher, als sie sich den Toten zuwandte. "Wir werden sie wohl am besten verbrennen, meint ihr nicht auch? Da wir sie nicht anfassen dürfen, gibt es wohl keine andere Möglichkeit....", schlug Shanea vor und nahm eine der Fackeln von den Wänden, die den Höhlentunnel spärlich beleuchtete.
"Was die Götter geschaffen haben, soll auch zu ihnen zurückkehren", murmelte Shanea hinunter und ließ die Fackel auf die beiden toten Okamis fallen, die sofort von einem Meer aus Flammen verschlungen wurden.
"Ruhe in Frieden....wie auch immer dein Name gewesen war....", bat Shanea in tiefer Trauer.

Eisig pfiff der Wind Sheyr und Reya um die Ohren, als diese sich mittlerweile in Richtung Al-Aurún aufgemacht hatten. Hier, in den Ausläufer der Berge, herrschte trotz der wärmeren Jahreszeit doch eine Eiseskälte, zu der der vorherrschende Nordwind auch noch beitrug. Aber wenigstens waren sie so um einiges schneller, da ihre Reiseroute sie Richtung Südwesten führen würde und sie mit dem Rückenwind einiges an Zeit gutmachen konnten. Von dieser Höhe aus konnte man auch schon die Küste sehen, doch die Al-Aurú Insel hatte sich bisher noch ihre Blicken entzogen, doch Reya und Sheyr wussten, dass sie, sobald sie an Calum vorbeikamen, auch die Insel mit ihre beiden größte Städten erblicken würden.

Sylwyn spielte einen traurigen Dreiklang und weinte dann ein paar stille Tränen zusammen mit Shanea. Nach einigen Minuten schlug Shanea schließlich vor sich auf den Weg zu machen. "Wir sollten einen Ort suchen, an dem wir uns gut und lang gegen Luzius Späher verteidigen können, meint ihr nicht auch?", fragte sie die Ignier.

"Oh das wird ein Spaß.." freute sich Niya, die gerade ihre Gewänder wechselte. An Stelle des feinen Seidenkleides, in das mehrere Edelsteine eingenäht waren, rüstete sie sich nun in eine uralte Rüstung der Dunkelelfen, deren geschwungene Form an alte Meeresungeheuer erinnerte, die in den Meeren vor Santris gelauert hatten, mittlerweile aber längst ausgestorben waren. "Sie werden am Ende um den Tod betteln", meinte sie, als sie ihren Säbel betrachtete, an dessen Klinge mehrer äußerst bedrohlich wirkende, Widerhaken zu sehen waren.

"Stimmt." erwiderte Tarik. "Wir könnten uns im Vulkan von Ignis verstecken, dort würde uns Luzius nicht suchen, und dort wären wir wirklich lange genug sicher. Die Frage ist nur, ob wir es bis dahin überhaupt schaffen, der Weg ist lang, und wir müssten direkt an Calum vorbei, wenn wir nicht den Umweg über den Wald von Illunis machen wollen. Ist es bei euch noch sicher, Mondelfen?" fragte er und blickte dann zu Shanea und Sylwyn. "Wobei es sicher auch im Norden gut wäre, sich dort zu verstecken. Dort sind die Nordländer zuhause, eine Sorte von Dämonen die die Wanderer in die Irre führt und sie in der Tundra verrotten lässt. Allein deshalb hat Luzius mittlerweile den Standpunkt bei Septevicus aufgegeben und auch die Belagerung von Alsius Clavis aufgehoben. Eventuell könnten wir im vereisten Schloss Zuflucht finden, und dort eine Weile ausharren. Über das Asragura-Meer zu fahren in die östlichen Lande von Illiónata, wäre zu riskant, werden doch die Häfen auch strengstens überwacht von Luzius´Truppen, und den Weg nach Ithuán oder Sura einzuschlagen, wäre zu weit, weil wir es nicht bis über die Berge schaffen mit dem bisschen, was wir besitzen."

Dass die Nordländischen Dämonen mittlerweile Luzius dienten, konnte Tarik nicht wissen, ebensowenig wie er wusste dass Luzius bereits all seine Truppen zusammen zog und sich selbst für die Schlacht rüstete.

"So wie ich das sehe werden wir nach Süden kaum ziehen können, denn je nachdem wie schnell Luzius ist mit seinem Heer, wird er vielleicht schon unterwegs hierher sein. Wir würden ihm also direkt in die Arme laufen - oder kennt ihr ein Schiff hier in der Nähe, das uns nach Ignis bringt?", fragte Shanea. "Möglicherweise könnte uns jedoch einer dieser unerforschten Tunnel hier rausführen und an Luzius Armee vorbei. Mir fällt es schwer das zu sagen, doch überlassen wir die Antiquae ihrem Schicksal und bereiten lieber alles für einen aussichtsreichen Krieg vor!", meinte Shanea. "Und vergesst nicht die Greifen - die könnten uns noch nützlich sein!", erklärte Shanea und zwinkerte den Igniern zu.

Derweil setzte sich die Vorhut des Trosses der Rebellen langsam in Bewegung, denn einige waren in ihrer Angst so übereifrig mit Packen gewesen, dass sie jetzt schon mit einer der Antiquae aus Kavendar hinauszogen in Richtung des eisigen Nordens.

"Nein, hier in Kavendar gibt es keinen Hafen weil an der bergigen Küste die See so rauh ist, dass niemand wirklich das Meer an dieser Stelle passieren kann. Die einzige schiffbare Verbindung besteht erst ab Calum, und wir werden uns kaum in die Höhle des Löwen trauen, das wäre purer Selbstmord. " überlegte Tarik. "Nun, einer der Tunnel könnte uns wirklich hier raushelfen, vor allem weil Luzius wohl keinen dieser Tunnel kennt, außer vielleicht den, den der Tasu genommen hat, als er hierhergeflohen ist. Soweit ich das gespürt habe, war er von einem Fluch belegt, der dem schwarzen Herren die Route direkt nach Kavendar zeigen würde. Schade nur, dass der Nadrazim, wie sie ihn immer nennen, wohl keine Ahnung davon hat, wie groß Kavendar wirklich ist."

"Dann lasst uns einen Weg hier raus suchen, der durch einen dieser Tunnel geht...wenn Luzius Heer hier durch die Höhlen marschiert werden wir gefahrloser an Calum vorbeischleichen können. Zudem wird er die Flüchtlinge verfolgen - wenn also Reya schnell genug ist könnte uns vielleicht sogar ein Überraschungsangriff gelingen und am Ende sogar die Stadt einnehmen. Das wäre das letzte womit er rechnet - so wie ich kenne wird er sicher die Stadt komplett an Soldaten räumen, meint ihr nicht auch?", schlug Shanea vor.

Mit einem letzten Dreh vor dem Spiegel vollendete Niya die Prozedur des Anlegens ihrer Rüstung, die aus unzählbaren Einzelteilen bestand und doch nicht mehr wog als eines ihrer Kleider. "Freut euch schon mal auf ein Blutbad..", flüsterte sie Luzius Dämonengarde gedanklich zu, da diese schon immer vor allen anderen sich auf Gefechte freuten.

"Bedenkt jedoch, werte Waldelfen, dass die labyrinthartigen Gänge von Kavendar nicht zu unterschätzen sind. Wenn wir uns verlaufen, wird es genauso schlimm enden, als wenn wir uns direkt in die Höhle des Löwen begeben hätten und Luzius´Truppen in die Arme gelaufen wären. Wenn wir einen Weg hier herausfinden wollen, sollte es auch einer sein, der uns nicht in die Irre führt. Und ich bezweifle doch stark, dass der König von Al-Aurún, Shahhar I. , wirklich so wagemutig wäre, die Stadt einnehmen zu wollen, immerhin ist die Armee der Al-Aurúnier nicht so gut ausgerüstet, und selbst wenn Luzius wirklich Calum räumen lässt, wovon ich in diesem Fall ausgehe, wiel ich doch Luzius mittlerweile auch besser kenne in seinen Taktiken, so glaube ich dennoch nicht, dass wir die Stadt einnehmen könnten - so dumm wäre niemand." entgegnete Tarik nachdenklich.

Leichtfüßig landete Reya mitten auf dem Innenhof des Schlosses von Al-Aurún, wobei man wohl ihr Kommen schon von weitem bemerkt hatte, denn nur kurz nachdem sie in ihre menschliche Gestalt zurückgewechselt war, wurden sie von allen Seiten von Soldaten umzingelt. In Zeitne des Krieges mussten wohl selbst die sonst so neutralen Al-Aurúnier aufpassen, wem sie noch vertrauen konnten und wem nicht.
"Stopp!" rief Sheyr, gerade als die Wachen des Königs die beiden Geschwister schon festnehmen wollten. "Wir sind Freunde des Königs! Sagt ihm Sheyr sei hier, er wird wissen wer gemeint ist."

"Dann lasst uns keine Zeit verlieren....wir werden schon einen Weg finden. Alles wird besser sein, als hier auf Luzius zu warten!", meinte Shanea und stieg zusammen mit Sylwyn auf ihr Pferd. "Je eher wir hier raus sind, desto besser!"

Gut gerüstet und dennoch nobel gewandet, durchschritt Niya den überdachten Gang durch den Schlossgarten, der zu Luzius Zuflucht führte. In Zeiten des Krieges waren selbstverständlich seine besten Leibwachen vor seinen Gemächern postiert, da sie jedoch Niya bestens kannten ließen sie sie ohne zu fragen passieren. Nachdem ihr die Tür geöffnet worden war, schritt Niya elegant die Treppe hinauf, die zum Magiezimmer des alten Herrschers führte und nun selbstverständlich Luzius gehörte. "Zeig mir was du weißt!", flüsterte Niya in der Sprache der Dämonen und legte den Edelstein, in dem die Seele des Okamis gefangen war, in einen der arkanen Behälter. Kaum hatte sie ausgesprochen, färbte sich das Wasser schwarz wie Luzius Gewänder und ein unheimlich grün leuchtender Belag legte sich auf die Wasseroberfläche.

"Lasst mich vorbei, lasst mich vorbei!" Gerade als der Hauptmann der Garde schon heftigsten Protest gegen Sheyrs Worte einlegen wollte und diesen zusammen mit seiner Schwester Reya sofort in die Kerker des Schlosses werfen, weil sie ja doch verdächtig nach Dämonen aussahen und somit auch Spione von Luzius sein konnten, bahnte sich ein älterer Mann in langen, bunt verzierten Gewändern den Weg durch die Masse und blieb dann vor den Wachen stehen. "Der junge Mann sagt die Wahrheit. Sheyr...es ist lange her, seitdem du meine Gemächer das letzte Mal betreten hast. Layali hatte sich schon große Sorgen gemacht, was überhaupt aus dir geworden ist, aber wie ich sehe, bist du doch gut zurecht gekommen. Nun sag mir mein Sohn, was führt dich und deine Gefährtin hierher?" Er war etwas näher zu Sheyr getreten und hatte diesen mit einer großen Umarmung begrüßt, bevor er dann wieder ein paar Schritte zurückgetreten war.
"Eure Majestät, es freut mich, dass eure Gesundheit sich nicht verschlimmert hat in den letzten Jahren. Nun, mir geht es gut, und das ist übrigens meine Halbschwester Reya. Jedoch ist es kein normaler Besuch, der mich hierherführt, sondern die Umstände des Krieges zwingen mich zu dieser Reise. Ich wäre gern einmal vorbeigekommen ohne irgendwelche Probleme zu haben, doch es scheint als würde dies nicht wirklich möglich sein. Nun, gibt es einen Ort, an dem wir in Ruhe reden können?" fragte Sheyr und Shahhar nickte.
"Folgt mir in meine Gemächer, dort wird man euch gut versorgen und wir können besprechen, was euch auf dem Herzen liegt."

Tarik und seine Leute hatten nur noch kurz genickt und sich dann ebenfalls auf ihre Rösser geschwungen. "Wisst ihr in welche Richtung wir reiten sollten?"

"Wir werden den nehmen aus dem die frischeste Luft kommt", schlug die Elfin vor, wobei sie aber eigentlich selbst nicht wusste, welchen Weg sie nehmen sollten. Dass der Ignier sie mit einer Waldelfe verwechselt hatte überschaute sie jetzt einmal - was sollte es schon bringen so sehr darauf zu bestehn zum richtigen Volk gezählt zu werden, wenn man in solch einer Situation war.

Niya sprach einige Worte in der dunklen Sprache der Dunkelelfen, woraufhin ein Bild auf der Wasseroberfläche erschien und einen Kampf zeigte. Es waren die letzten Augenblicke Mikes, nachdem er vom Zauber erwischt worden war. Niya betrachtete nun alles aus seinen Blickwinkeln - von dem Okamidorf auf seiner Flucht nach Kavendar. Dabei bekam Niya allerlei interessantes zu sehen.

"Tarik, du hast schon bemerkt dass dies Mondelfen sind?" klärte ihn eine jüngere Dämonin namens Khaala auf und grinste dabei frech. "Du solltest doch mittlerweile den Unterschied zwischen Mond- und Waldelfen kennen, oder?"
"Denkst du wirklich in solch einer Situation wäre das wichtig? Sicherlich, du als Hohepriesterin der Feuergöttin hast die Zeit dazu, solche feinen Unterschiede zu bemerken, aber ich als Krieger und Stratege habe wirklich besseres zu tun. Schließlich gilt es, uns hier herauszuführen, möglichst ohne dabei draufzugehen oder uns zu verirren. Wenn wir am Ende in den Tunneln unseren Tod finden, wird es egal sein ob ich sie als Wald- oder Mondelfe bezeichnet habe." erwiderte Tarik leicht gereizt, während er immer wieder nachhorchte, ob er vielleicht irgendwelche Geräusche von draußen hören konnte, oder ob sich die Gerüche veränderten, doch nichts dergleichen geschah.

Derweil waren Reya und Sheyr dem König in dessen Gemächer gefolgt, wo sie bereits von mehreren Dienern des Hauses versorgt wurden, auch wenn Sheyr diese Situation leicht unbehaglich war, hatte er doch früher selbst zu dieser Riege gehört und kannte deshalb ein paar der Diener noch persönlich.
"Nun, Sheyr, was bewegt deinen Geist dass du diese gefährliche Reise vom fernen Festland bis hierher auf dich nimmst?" fragte Shahhar und seine tiefblauen Augen musterten den Dämon und seine Schwester nachdenklich.
"Ich denke euch wird nicht entgangen sein, welche Dinge derzeit in Calum vorgehen, nachdem ich erfahren habe, dass ihr die Handelsbeziehungen mit Santris abgebrochen habt." begann Sheyr. "Der alte König von Calum ist tot, und Luzius, dessen ehemaliger Kriegsminister, hat sich nun selbst zum König gekrönt und plant, die Höhlen von Kavendar anzugreifen, wo sich mehrere tausend Flüchtlinge aus Illunis, Ignis, Alsius Clavis und vielen anderen Gildensiedlungen befinden. Soweit wir wissen, hat er bisher all seine Mannen aus Calum abgezogen, folglich ist die Stadt unbewacht."

Da Niya nun genug gesehen hatte, murmelte sie weiter Worte der dunklen Sprache, die entfernt an das edle Elfisch der Hoch- und Mondelfen erinnerte, woraufhin das Wasser anfing zu brodeln und sich zu einem grünlichen Nebel verflüchtigte. Dieser Nebel nahm auf Niyas Handbewegungen hin die Gestalt des Wolfes an, der ihr nun treu auf jeden Schritt und Tritt folgte. Zufrieden mit ihrem Werk verließ Niya den Raum wieder und betrat den Thronsaal, wo Luzius sie wohl bereits erwartet hatte. "Es ist soweit mein König!", erklärte sie. "Der Geist ist nun bereit unsere Armee nach Kavendar zu führen!"

"Wir sollten vielleicht noch einen Anführer ausmachen - so werden wir uns jedenfalls schneller auf einen Weg einigen können, meint ihr nicht auch?", fragte Shanea, die im leichten Trab schon einmal los ritt.

Luzius hatte schon eine ganze Weile lang im Thronsaal gewartet und war mehrere Kriegsstrategien im Kopf durchgegangen, bis er sich schließlich für eine entschieden hatte. Als er dann aber Niya kommen sah, stand er auf und musterte sie erwartungsvoll. "Nun gut. Gib den Abordnungen bescheid, sie sollen sich schon einmal in Bewegung setzen. Ich werde später noch genauere Anweisungen geben, wie wir vorzugehen haben. Aber fürs erste, lass mein Pferd satteln."

"Und wer sollte der Anführer sein? Ein Krieger, ein Priester,...?" fragte Tarik und hatte sich mit seinem Pferd ein wenig umgedreht, sodass er zu Shanea blicken konnte. "Wir bräuchten jemand mit genauen Vorstellungen von dem was er tun will und mit ein wenig Ahnung wie man sich in solchen Situationen verhält. Jemanden, mit guten Führungsqualitäten, und noch besseren Sinnen, damit wir wissen, wem wir da unser Vertrauen in die Hände legen."

"Oh nichts lieber als das....", kicherte Niya und strich Luzius sanft über die Wänge. "Was habt ihr nur wieder ausgeheckt..ich bin schon jetzt gespannt wie eine dunkelelfische Armbrust was ihr mit ihnen anstellen werdet - und erst recht wie ihr der Blutigen Rose die Rosenblätter auszupft!", flüsterte sie in sein Ohr. Dann wandte sie sich von ihm ab und verließ den Raum um dem Stallmeister den Befehl zu geben das königliche Schlachtross zu satteln. Im Schlosshof war bereits das königliche Heer versammelt: ein Meer aus vielen unterschiedlichen Flaggen, da alle Soldaten des Reiches angetreten waren. Dennoch waren sie nun unter Luzius Banner vereinigt, das von den besten Kämpfern des Königs, der Dämonenwache, getragen wurde.

"Wen schlagt ihr vor? Wäre Reya hier würde ich ja gerne sie vorschlagen, doch im Moment müssen wir leider ohne sie auskommen - ich wünschte mehr Angehörige meines Volkes wären hier. Es gäbe einige darunter, die zu Anführern geboren worden sind!", seufzte Shanea.

"Glaub mir, Niya, ich habe so viele Ideen in meinem Kopf dass ich mich jetzt schon frage, ob die Zahl der Gefangenen, die wir später machen werden, überhaupt dazu ausreicht, alle Methoden anzuwenden, die ich mir so vorstelle. Naja, wir werden ja sehen, ansonsten werden uns Bloody Rose und ihr Gefolge sicherlich noch verraten, ob es nicht noch ein paar andere Orte gibt, an denen sie Flüchtlinge versteckt haben. Schließlich sollten die Höhlen von Kavendar nicht allen Gildenmitgliedern aus Illunis, Alsius Clavis , Ignis, Kahylenn und den vielen anderen Orten Platz bieten können. Sicherlich, ein paar werden geflohen sein, entweder nach Al-Aurún oder in die östlichen oder nördlichen Länder , doch ich wette es gibt noch so viele armselige Seelen, die nur darauf warten, in meine Fänge zu geraten." Luzius schmunzelte leicht und wandte sich dann um, um ebenfalls den Schlosshof zu betreten.

"Sicherlich, Reya ist die geborene Führerin, immerhin ist sie die Tochter des Gildenmeisters, aber es stimmt, sie ist nicht hier. Wie wäre es also mit dir, Tarik? Du hast die besten Sinne unter uns und noch dazu bist du einer der besten ausgebildeten Krieger in unserem Volk. Du könntest zusammen mit der Elfe die Führung übernehmen, dann gäbe es keine Streitereien zwischen den Völkern und noch dazu sind zwei gute Nasen immer besser als eine." meinte Khaala nachdenklich und musterte sowohl Tarik als auch Shanea von Kopf bis Fuß.

"Ihr wollt mir solch eine wichtige Aufgabe zuteil werden lassen ? Verzeiht mir...dass ist wirklich zuviel der Ehre...", entschuldigte sich Shanea und verneigte sich tief. "Seid ihr wirklich sicher, dass ich für solch eine Aufgabe geeignet wäre?"

"Los...such!", befahl Niya der manifestierten Seele des toten Wolfes und sofort rannte er los. Kaum war er losgerannt, hatte Niya ihrem Pferd die Sporen gegeben und ritt zusammen mit einer Einheit der berittenen Dämonen voraus, während sich nun auch die Armee in Bewegung setzte und Calum komplett geräumt wurde, sodass außer ein paar normalen Feuerwehrwachen niemand in der Stadt zurückblieb. Schließlich wurde jeder Mann gebraucht, wenn es zum Abschlachten der Gildentruppen in Kavendar kommen würde.

"Es gibt keinen Moment, in dem ich mir nicht sicher wäre." erklärte Khaala und lächelte aufmunternd, sowohl zu Tarik als auch zu Shanea. "Und ich bin mir sicher, dass ihr zwei unser Volk sicher zum Sieg führen werdet, so wahr ich hier stehe. Glaubt mir, die Feuergöttin steht auf unserer Seite, ich kann es spüren, mit allen Sinnen, die mir zur Verfügung stehen."
"Ehrlich, ihre Sinne sind gut...nur so als Bemerkung am Rande." meinte Tarik leise zu Shanea während Khaala ihre "Rede" hielt.

Mit einem geflissentlichen Lächeln hatte sich Luzius auf sein tiefschwarzes Pferd geschwungen und ritt nun ebenfalls weiter nach vorne, sodass er sich irgendwann direkt an der Spitze des Trupps befand. Es kitzelte ihn gerade zu schon in den Fingern, einfach seine Sense zu ergreifen und diesen Aufständlern ein Ende zu bereiten. Er war der rechtmäßige König von Calum und da es in Santris keine Grenzen gegeben hatte, gehörte ihm praktisch der ganze Kontinent. Die Gilden waren sowieso keine völkerrechtlichen Subjekte, zumindest wenn es nach ihm ging, waren sie nur kleine Sekten, die es galt, zu entfernen.

"Nun dann....danke ich euch vielmals...", bedankte sich Shanea und verneigte sich nochmals. "Allerdings denke ich wir sollten schleunigst von hier verschwinden....ist nur so ein Gefühl.....oder was schlägst du vor Tarik?", fragte Shanea wissbegierlich.

Derweil passierte die gigantische Armee aus Calum das zerstörte Okamidorf, von dem nur noch brennende Hütten und Asche übrig war. Der gesamte Heerzug war so gigantisch, dass er wie ein schwarzer, riesiger Wurm aussah, der sich über den Kontinent bewegte. Zur selben Zeit hatte Niya jedoch auch Kontakt zu den Verbündeten im Norden aufgenommen, die sich in den schneebedeckten Gipfeln des großen Gebirges befanden und anscheinend bereits die Vorhut der ebenso riesigen Flüchtlingskolonne aus Kavendar gesichtet hatten.
"Luzius...ich habe Informationen, die dich interessieren dürften!", informierte Niya ihren König und zeigte ihm das was sie dank ihrer magischen Fähigkeiten sehen konnte. Dabei war vor allem Bloody Rose zu sehen, die den Zug der Flüchtlinge zu führen schien. "Sie sind bereits aus Kavendar geflohen!", erklärte Niya. "Wenn sie jedoch im Gebirge gefangen sind, werden wir ihnen den Rückweg abschneiden und sie alle abschlachten können!", freute sie sich gleich darauf.

"Wir müssen hier weg, das ist ganz eindeutig. Wobei es ein Problem darstellt. Meine Späher haben mir erzählt, dass die Armee von Calum auf dem Weg hierher ist, ein Teil von ihnen aber gleichzeitig auch ins Gebirge will. Unsere einzige Möglichkeit wäre also, wenn wir einen anderen Ausgang finden würden, einer, der in die Richtung von Kahylenn geht. Wenn wir es ins Gebirge schaffen, können wir uns dort verstecken. Wir hätten sozusagen einen kleinen Vorteil, da wir die Armee sehen würden, sie aber uns nicht und wir aus dem Hinterhalt angreifen könnten. Dies würde auch unsere kleine Zahl wieder wettmachen, da wir in einem offenen Krieg keine Chance gegen die riesige Armee von Calum hätten." erklärte Tarik und zeichnete mit einem kleinen Stab eine Karte von Santris in den Staub, wobei er immer wieder erklärte, was er eigentlich meinte.

"Ist das so?" fragte Luzius und hatte zu lächeln begonnen, als er den Zug der Flüchtlinge vor seinem geistigen Auge erblickte. "Nun, dann schick einen Teil der Späher, am besten die dämonischen Reiter, los in Richtung des Gebirges. Sie sollen von der östlichen Grenze des Kontinents her anrücken und den Flüchtlingen den Weg abschneiden. Denn sobald die einmal im Gebirge sind, haben wir keine Chance mehr. Sie würden nur nach Ithuán flüchten, und von dort aus lassen sich doch sowieso alle Revolutonen organisieren. Also tu mir den Gefallen und halte sie auf!"

"Nichts lieber als das! Ich habe den Frostriesen schon Bescheid gegeben...", erklärte Niya und lächelte finster. "Sie werden jeden Moment die Schneelawine losbrechen lassen und die Vorhut darunter begraben. Außerdem wird dem Flüchtlingsstrom der weg abgeschnitten werden! Sie werden nur wieder zurück gehen können, wo wir warten werden! Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Rest, der in Kavendar übrig geblieben sein könnte!"; erklärte Niya zu Luzius, schließlich hatte sie geistig bereits einen großen Teil Kavendars erkündet.
Nun gab sie auf Luzius Wunsch hin ihrem Pferd die Sporen und löste sich mit einem Teil der Reiter aus dem Zug um das Gebirge zu erreichen um die Flüchtlingskolonne auszulöschen. Derweil rannte der von den Toten versklavte Wolf weiterhin vor der Armee voraus und zeigte Luzius den Weg nach Kavendar.

"Gut....aber ist es nicht riskant mit unserer geringen Zahl gegen diese riesige Armee antreten zu wollen....noch dazu ohne Reya oder Cecilia ?", erwähnte Shanea, während sie und Sylwynael aufmerksam Tariks Zeichnungen folgten.

"Es könnte nicht besser sein, wirklich nicht..." murmelte Luzius und hatte zu grinsen begonnen, während er nun ebenfalls sein Pferd beschleunigte, um dem Wolf zu folgen, den er angewiesen hatte, schneller zu rennen, wiel er den Verdacht hatte, dass die Flüchtlinge ihn doch bemerken würden und einen Plan ausheckten. Noch dazu war er eben doch schon immer ungeduldig gewesen, sodass es ihn wirklich schon in den Fingern juckte ein Exempel an den Aufrühren von Kavendar zu statuieren können. Derweil sah er dann zu, wie Niya mit einem Teil der Armee in Richtugn des Gebirges ritt, während er selbst wieterhin dem Wolf folgte.

"Hm...." machte Tarik nur. "Aber habt ihr denn einen anderen Plan? Und wir sollten uns beeilen, denn ich habe so das Gefühl, dass der Tyrann von Calum nicht lange auf sich warten lassen wird, bis er auch Kavendar stürmt. Und du weißt dass wir keine Möglichkeit mehr haben, zu flüchten, wenn sie am Ende auch noch das Gebirge blockieren!"

"Mit Sicherheit sollten wir uns beeilen....aber ist es nicht fast schon Selbstmord einen Versuch zu unternehmen es mit diesen Massen an Soldaten und Luzius selbst aufzunehmen.....in seinen Truppen finden sich ja schließlich nicht nur gewöhnliche Menschen.....da wird uns das Gelände sicher auch nicht so viel helfen...ich wäre dafür erst einmal nur zu fliehen, bis wir mit Reya zusammenfinden.....sobald wir Cecilia wieder in unserem Kreis haben, halte ich unsere Siegchancen für weit besser!"; entgegnete Shanea.

Aufmerksam beobachtete Bloody Rose das Gelände, als sie plötzlich einen ohrenbetäubenden Lärm wahrnehmen konnte. Dann sah sie es: eine riesige Schneelawine rollte den Hang hinunter auf ihre Flüchtlingskolonne zu. "Alle sofort zurück!!!! ZURÜCK!!!!", schrie sie in der nun entstehenden Hektik und holte soviel aus ihrem Pferd heraus wie nur möglich, damit sie der Lawine entkommen können würde. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet, obwohl sie doch sicher war ihre Kräfte bestens unter Kontrolle zu haben.