Das Zeitalter der Schatten

Vor dem Eingang blieb Cecilia kurz stehen. Sie hatte die Bibliothek in den letzten Tagen, in denen sie hier gewesen war, zwar oft gesehen, doch jedesmal war sie aufs neue erstaunt gewesen. Wenn man es so sagen konnte, war das Gebäude ein Einziges architektonisches Meisterwerk.
Cecilia wandte ihren Blick nach oben. Eine riesige Kuppel aus Glas bildete das Dach der Blibliothek, die überwiegend im gotischen Stil gehalten war, jedoch durchaus ihre Einflüsse aus südländischen Kulturen erhalten hatte. Die Mauern, allesamt aus dem weißen Stein gehauen, der hier in der Gegend vorkam, waren verziert mit Mosaiken , Fresken und Ornamenten.

Selbst Shanea, die ja einiges von der elfischen Baukunst her gewöhnt war kam nur knapp aus dem Staunen wieder raus. "In welcher Abteilung liegt dein Buch?" fragte sie Phe de Sedar in der fremdländischen Sprache.

"Theroetisch bei den Landkarten. Ich muss zugeben, ich habe dieses bauliche meisterwerk noch nie von innen gesehen" erklärte Cecilia. Man merkte ihr garnicht an, dass das dämonische nicht ihre Muttersprache war.

// Nichts wie hin....nicht dass man uns noch erkennt// dachte Shanea und hoffte dass die Wachen ihre Gesichter nicht erkannten.

Cecilia war schon losgelaufen, zielstrebig ging sie an den Wachen vorbei, die sie nicht zu erkennen schienen. "Nun , ich denke wir teilen uns auf. Du nimmst Kategorie B, das ist Geographie, und Geschichte, Katgorie K, nehme ich. " erklärte sie.

"Geht klar....wo treffen wir uns?" fragte Shanea flüsternd.

"Später wieder am Eingang. Falls es Probleme gibt, denk irgendwas, ich hör dich weit genug.." murmelte Cecilia unter ihrer Kapuze.

"Geht hoffentlich nicht zu lange" dachte Shanea und durchstöberte die Abteilung B.

Cecilia hatte sich währenddessen in Abteilung K geschlichen, und durchsuchte jedes einzelne der wertvollen Bücher nach der Geschichte des Landes, und natürlich auch der der Gilden. Sie wäre fast daran vorbeigelaufen, doch plötzlich entdeckte sie ein kleines, unscheinbares Buch. "Todeslisten.. " las sie leise. Der rest war nicht erkennbar. Mit einem leichten Anflug von Hoffnung ließ sie das Buch unauffällig in ihrer tasche verschwunden.

Shanea durchsuchte eifrig die Bibliothek. Sie fand Unmengen Bücher über ferne Lande, den Stadtplan von Calum, die Ahnenreihe der Minister usw. Erst nach mehreren Minuten eifrigen Suchens fand sie in der hintersten Ecke eines verstaubten Regales ein dickes Buch auf dessen Einband "Gildenalmanach" stand. Das musste es sein was sie gesucht hatten.

Cecilia durchsuchte weiter die ganze Abteilung mit der Geschichte. Plötzlich hielt sie inne. Ein kleines Büchlein war ihr aufgefallen. Es hatte keinen Titel, doch es schien eine Biographie über Luzius zu sein, denn auf der Vorderseite war ein Bild von ihm abgebildet . Es musste ziemlich alt sein, denn dort konnte er noch mit beiden Augen sehen.

Vorsichtig zog Shanea den dicken Schmöcker aus dem Regal und schaute hinein. Vor lauter Staub konnte man fast nichts lesen und hätte sie gepustet hätte sie wahrscheinlich die nächsten paar Minuten mit Husten verbracht.

Als niemand hinsah holte sie eines der gekauften Bücher heraus und stellte so tuend als wäre nichts außergewöhnliches passiert, die Fälschung an den Platz des Buches.

//Ich hab was wir brauchen - nichts wie weg hier// dachte Shanea und schritt gespielt lässig zum vereinbarten Treffpunkt.

Voller Tatendrang und Vorfreude klappte Cecilia das Buch über Luzius auf - und bevor sie überhaupt etwas lesen konnte, ging plötzlich der Alarm los. "verdammt.." fluchte sie, sie hatte nicht bemerkt, dass das Buch gesichert gewesen war. WEnn man es wegnahm aus dem Regal, ging der Alarm los.

//Schnell renn zum Eingang, vergiss den Tunnel// dachte Shanea zu Cecilia und spielte die entsetzte Bibliothekarin die aus Angst vor dem Einbrecher nach draußen rannte. Keine der Wachen nahm in dem entstehenden Getümmel auch nur Notiz von ihr.

"Oh mein Gott!" kreischte Cecilia gekonnt, während sie ebenfalls losrannte, Shanea hinterher.

Mühelos waren sie aus der Bibliothek entkommen und nun schlug Shanea vor den Tumult zu nutzen um die Gefangenen zu befreien.

"Wir müssen schnell arbeiten...oder warte....hol du sie raus ich besorge solange schnell ein paar Pferde....beziehungsweise ich borge sie mir aus.." fügte Shanea noch hinzu mit einem Augenzwinkern.

"Klar" nickte Cecilia. "Nimm du die Bücher, bei dir sind sie sicherer. WEnn ich in zwei Stunden nicht zurückbin, reite ohne mich los." sagte sie , gab Shanea die Bücher und rannte los. Sie wusste nicht genauo wo die Zellen der Gefangenen waren, doch laut dem was sie gehört hatte, waren sie unter dem Schloss. Und irgendwo gab es eine Treppe, die dorthin führte.

Besorgt sah Shanea der rennenden Cecilia hinterher dann tat sie wieder so als würde sie entsetzt den Tumult beobachten. Zu ihrem Glück kamen in diesem Augenblick einige Wachen aus der Kaserne am anderen Ende der Stadt angeritten.

Ohne ihre Pferde auch nur anzubinden sprangen die Soldaten ab und rannten in die Bibliothek, wo sie die Einbrecher immer noch vermuteten.

"Na kommt mal her meine Hübschen" flüsterte Shanea den Pferden auf Elbisch und sofort ließen sie sich von ihr führen als seien sie schon lange enge Vertraute.

//Soso...sie denkt also wirklich, sie könnte mich in die Irre führen.." Er stand am Fenster, und sah dem ganzen Tumult, der unten herrschte , schmunzelnd zu. //Wie naiv von ihnen// dachte er, und ein wahnsinniges Lachen entfuhr ihm. Er drehte sich um, und ging zu seinem Schreibtisch zurück, auf dem gerade ein schwarzer Rabe saß, der seinen Herren mit wachsamen Augen bedachte.
"Na , was denkst du? Fügen wir noch zwei zu meiner Sammlung hinzu?"
Der Rabe blickte noch immer wachsam, bewegte aber seinen Kopf, was leicht einem Nicken ähnelte.

"Ach immer diese naiven Gildenmitglieder. Sie sind immer sooo leicht zu durchschauen...." scherzte die weißhaarige Frau, die sich gerade auf dem Fenstersims räkelte.

"Ja. Deswegen befreien wir ja die Welt von dieser Naivität. " entgegnete er. Seine glühend roten Augen starrten wieder hinunter auf dem Hof, auf dem nun fast die gesamte Garnison in Richtung blibliothek rannte. Nur ein paar schlichen unerkannt in eine andere Richtung.

"Soll ich mich um die andere Gildenanhängerin kümmern? Oh werter Luzius?" fragte die anmutige Frau mit den silbern-weißen Haaren und tänzelte um Luzius herum.

"Ja, aber lass dir ruhig Zeit. Ich mach mich an Cecilia ran. Sie schuldet mir noch etwas.." Luzius lachte, er hatte sich zu der weißhaarigen Frau umgedreht, und erst jetzt sah man das Außmas, dass die Narbe an seinem rechten Auge hatte.

"Wie tragisch dass diese Wunde niemals verheilen konnte" bedauerte die Frau mit der rabenschwarzen Haut und den Amethystfarbenen Augen. "Sie ist euch was schuldig.....Auge um Auge, Zahn um Zahn, Wunde um Wunde...." flüsterte sie Luzius sanft ins Ohr und hatte sich wie eine Katze an ihn geschmiegt.

"Hm... ich könnte ihr ja beide Augen ausstechen...Oder etwa nicht?" Luzius lächelte teuflisch. "Und dann lasse ich sie durch einen Raum , dessen Boden gespickt mit Dornen und glühenden Kohlen ist, stolpern." In seinem Kopf malte er sich bereits die ganze Szenerie aus.